Technik im Klassenzimmer: Warum ich wieder unsicher bin

Technik im Klassenzimmer: Warum ich wieder unsicher bin

Wie bereits angekündigt folgt hier ein kurzer Blogbeitrag dazu, warum ich wieder zweifle, was die aktuell angemessene technische Ausstattung ist. Als Antworten auf diesen Tweet unten kamen Bestätigungen, aber es bestätigten sich für mich auch alle Befürchtungen in Bezug auf diese Frage. Warum, versuche ich hier zu erläutern.

 

Was mir klar ist

Am Anfang steht die Frage, wie Unterricht – oder besser: das Lernen – sich weiterentwickeln (soll). Alle technischen Entscheidungen könnten auf dieser Frage basieren. Aber einfache, funktionierende Lösungen ermöglichen auch neues Denken. Es gibt aber auch einige Basics, wenn man es mit der Weiterentwicklung ernst meint:

  1. W-Lan
  2. Eine Projektionsfläche
  3.  Eine 1:1-Ausstattung bei Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern (keine „Utopie“-Rufe, bitte, ich sehe hier kurz- bis mittelfristig keinen Diskussionsbedarf mehr)
  4. Eine einfache Möglichkeit, Ergebnisse von den Einzelgeräten drahtlos zur Projektionsfläche zu schicken.
  5. Offenheit der Struktur: Nicht nur Apple, nicht nur Windows, nicht nur Android; alles muss möglich sein
  6. Interactive Whiteboards sind im Verhältnis zu teuer und zu unflexibel.
  7. Visualiser / Dokumentenkameras sind als Übergangstechnologie bald überflüssig.

 

Wo ich mir unsicher bin

  1. Sollten wir wirklich auf Lösungen mit großen (Touch-)Bildschirmen setzen, die seitliche Flügel zum spontanen Anschreiben haben? Keine der aktuellen Lösungen überzeugt mich hier, teilweise ist die Software elend langsam oder die drahtlose Verbindung zu den Geräten läuft nicht zuverlässig.
  2. Brauchen wir nicht vielmehr alles und immer? Große Whiteboard-Flächen, die man mit Stift beschreiben kann, eine Projektionsfläche (nicht notwendigerweise zentral), alles möglichst flexibel
  3. Haben Beamer wirklich ausgedient und werden jetzt durch Bildschirme ersetzt? Hat mal jemand die mittelfristigen Kosten berechnet?

 

Warum ich zweifle

Wir haben gerade in den Testräumen folgende Ausstattung:

  • Klassische Kreidetafel mit Flügeln
  • W-Lan
  • Beamer mit Stereoboxen und HDMI-Switch
  • Am HDMI-Switch: Laptop, Dokumentenkamera, Apple TV, Microsoft Wireless Adapter, alles fest montiert in/an einem kleinen Schränkchen
  • Projektionsfläche neben der Tafel, tendenziell zu klein
  • In den Projektklassen 1:1 Ausstattung der Schülerinnen und Schüler

Diese Installation ist sehr aufwändig, zudem stauben die Beamer durch Kreide im Laufe der Zeit zu. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Modell einfach genug ist („Was nicht einfach geht, geht einfach nicht“).

Wenn entweder Projektionsfläche oder Whiteboard (kein IWB) an die Seite wandern, hätten wir evtl. eine Struktur, die die Tendenz zur Frontalsitzordnung aufbricht und als Rahmen die Unterrichtsstruktur beeinflussen könnte.

Was meint Ihr?

 

 

 

 

 

 

Privatschulen für alle, oder: Wider die stille Privatisierung des Bildungswesens

Hier meine aktuelle Kolumne für das Deutsche Schulportal zum Thema „Privatschulen“. Obwohl ich selbst an einer Privatschule arbeite, stehe ich der Teilung des Systems durchaus kritisch gegenüber. Eigentlich wünschte ich, alle Schülerinnen und Schüler würden in den Genuss von „Privatschulleistungen“ kommen. Welche das sind, versuche ich im Artikel zu definieren, aufbauend auf einem Podcast, bei dem ich vor einiger Zeit zu Gast sein durfte.

 

Was mir als Lehrer wichtig ist (April 2018)

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Über die letzten 10 Jahre haben sich einige Prinzipien herausgebildet, die mir wichtig sind. Ich bin Lehrer, weil ich Schülerinnen und Schüler befähigen möchte, selbstständig Entscheidungen für ihr Leben zu treffen und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen (auch im Sinne der Gestaltung der Gesellschaft). Ich möchte Lust machen auf die lebenslange Neugier, genannt das Lernen. Ich versuche möglichst oft aus diesen Floskeln Konkretes werden zu lassen.

(Diese Liste ist unsortiert, offen und wird bestimmt regelmäßig aktualisiert)

  1. Als Lehrer bin ich Vorbild für meine Zielsetzungen: Ich bin neugierig, gehe offen mit Nicht-Wissen um, gestehe Fehler ein, hole mir Feedback und hinterfrage mich selbst. Ich versuche, diese Entwicklungsbereitschaft in jede Stunde einfließen zu lassen. Es gelingt nicht immer.
  2. Fehler sind Lernanlässe: Es wird nicht akzeptiert, dass über Fehler der Mitschülerinnen und Mitschüler gelacht wird. Manchmal danke ich für bestimmte Fehler.
  3. Im Klassenzimmer herrscht eine konstruktive Feedbackkultur. Jede Leistung (auch meine eigene) muss sich einem kritisch-konstruktiven Feedback stellen, wobei die „Schatzsuche“ nach guten Aspekten immer am Beginn steht und die Kritik nur in Form von konkreten Verbesserungsvorschlägen geäußert wird.
  4. Unterrichtsplanung muss aus der Schülerperspektive erfolgen: Hätte ich als Schüler oder Schülerin selbst Lust darauf? Was würde mir daran Freude bereiten? Warum genau muss ich Notwendiges (und damit ggf. Langweiliges) machen? Was ist der Nutzen? Was hat der Inhalt mit meinem Leben zu tun?
  5. Jede Stunde muss sich der „so what?“-Frage stellen: Was soll das Ganze? Wofür ist das wichtig? Der Verweis auf den Bildungsplan reicht nicht.
  6. Beteiligung der Schülerinnen und Schüler bei der Themen- und ggf. sogar Methodenwahl ist unerlässlich. Das motiviert und ist gelebte Demokratie.
  7. Der Unterricht kann daher auch nicht Wochen im Voraus geplant werden, weil ich (noch) nicht weiß, wo wir vertiefen bzw. was noch gelernt werden muss und will.
  8. Der Bildungsplan ist wichtig und interpretierbar.
  9. Projekt- und produktbezogener Unterricht kann Kräfte in Schülerinnen und Schülern freisetzen, die jedes Mal begeistern.
  10. Die Leistungsbewertung ist nicht alleine Sache des Lehrers bzw. der Lehrerin: Es braucht immer eine Form der kriteriengestützten Selbstreflexion. Das Eigenurteil der Schülerinnen und Schüler hat eine Bedeutung und ist Teil der Besprechung der Noten.
  11. Zur Leistungsbewertung wird nicht allein das Ergebnis herangezogen, sondern ebenso (wo möglich) der Prozess dorthin.
  12. Wenn ich Schülerinnen und Schüler ernst nehme, dann vertraue ich ihnen: Sie brauchen daher nicht zu fragen, ob sie aufs Klo gehen dürfen; wenn sie zu spät kommen, gehe ich davon aus, dass sie einen guten Grund haben (den sie mir gerne am Ende der Stunde nennen dürfen, wenn sie das Bedürfnis haben).
  13. Wer die Hausaufgaben nicht hat, hat die Entscheidung für etwas anderes getroffen. Das ist grundsätzlich in Ordnung und hat keine disziplinarischen Folgen (allerdings ggf. sehr wohl für die kommende Klausur, weil die Übung fehlt). In der Zeit der Hausaufgabenbesprechung profitiert der- oder diejenige nicht von der Arbeit, verlässt das Klassenzimmer und holt die Arbeit dort nach und kann die Ergebnisse später vergleichen.
  14. Ich setze Signale, dass sich Anstrengung lohnt: Der Notenschnitt einer Arbeit wird grundsätzlich zweimal an die Tafel geschrieben; der Schnitt derjenigen, die freiwillig einen Text eingereicht haben oder sich anderweitig Feedback geholt haben, und der Schnitt der anderen.
  15. Ich bin grundsätzlich gut über verschiedene Kanäle erreichbar und helfe gerne. Am Wochenende und über manche Ferien habe ich auch einmal Kontaktpause. Auch das sollen Schülerinnen und Schüler lernen und für sich adaptieren.
  16. Ohne ein grundlegendes Verständnis über den Digitalisierungsprozess kann ich heutzutage nicht Gesellschaft verstehen und gestalten. Daher kommt dieser Themenkomplex in seinen Facetten häufig als Beispiel vor. Bis zu welchem Grad Programmierkenntnisse Voraussetzung dafür sind, darüber bin ich mir noch unschlüssig.
  17. Ich bin mir bewusst, dass sich meine Rolle als Lehrer derzeit radikal ändert: Vom Wissensvermittler hin zum Lerncoach, Vorbild als Lerner und Organisator von selbstbestimmten Lernprozessen. Als reinen „Lernbegleiter“ sehe ich mich derzeit nicht, dieses Bild vom Lehrer ist mir zu passiv.
  18. Ich bin überzeugt, dass Wissen als Orientierungswissen weiter eine große Rolle spielt, um selbstständig weiter zu lernen. Z. B. sind Fake News ohne Wissen gar nicht identifizierbar; ich fange gar nicht erst an zu recherchieren, wenn mir nichts komisch vorkommt.
  19. Schule ist zu oft defizitorientiert. Ich korrigiere immer auch in grün, um Positives hervorzuheben. Unsere Schülerinnen und Schüler können so viel; dies zu sehen stärkt sie.

(to be continued)

Fast zwei Jahre Zusammenarbeit mit OneNote

Fast zwei Jahre Zusammenarbeit mit OneNote

Ein ungefilterter Erfahrungsbericht von zwei Schülerinnen aus dem 4-stündigen Gemeinschaftskunde-Kurs, denen ich hiermit für ihr ehrliches Feedback und ihre Mühen von Herzen danken möchte! Sie haben diesen Beitrag geschrieben, obwohl sie gerade mitten in der Abiturvorbereitung stecken.

22 Uhr. Schnell noch meine Tasche packen bevor ich schlafen gehe. 

Welche Fächer habe ich morgen denn überhaupt? Welche Ordner muss ich mitnehmen? Welche Bücher brauche ich? Also Mathe: Taschenrechner und Mathebuch in die Tasche. Deutsch: Lektüren einpacken. GK: Grundgesetz, Buch und die Materialien der letzten Unterrichtsstunde…Ach Quatsch! Ich brauch doch nur mein iPad. 

So ungefähr sieht unser (SchülerInnen des GK 4-stündig Kurses) Gedankengang aus. Unser Gemeinschaftskundebuch wird durch ein digitales Schulbuch ersetzt. „Microsoft OneNote“ ermöglicht uns, unsere Materialien und Unterrichtsergebnisse zu sammeln, sowie sie mit unseren Mitschülern zu vergleichen. Unser dort aufzufindendes Kursbuch ist in drei Teile aufgeteilt. Die schreibgeschützte „Inhaltsbibliothek“ beinhaltet unsere Arbeitsblätter, welche nur als Vorlage dienen und ausschließlich von Herrn Förtsch hochgeladen und bearbeitet werden können. Jedoch finden wir die Arbeitsblätter aus der „Inhaltsbibliothek“ auch in unseren „Handzetteln“. Diese individuelle Sektion kann ausschließlich von jedem selbst, sowohl mit seinen persönlichen Notizen als auch mit Hausaufgaben ergänzt werden. Die Möglichkeit, Unterseiten zu erstellen, ermöglicht uns ein klar strukturiertes und organisiertes Arbeitsfeld. In der letzten und dritten Sektion „Zusammenarbeit“ werden die Ergebnisse von Gruppenarbeiten gesammelt, synchronisiert und damit zugänglich für alle gemacht. So entsteht die Möglichkeit bei Gruppenpräsentationen den Präsentierenden seine volle und aufrichtige Aufmerksamkeit zu schenken und hinterher die von der Gruppe kompakt zusammengefassten Ergebnisse durchzuschauen.

Im Lauf der knappen zwei Jahre in denen wir mit „Microsoft OneNote“ gearbeitet haben, lernten wir nicht nur die Vorteile eines „digitalen Unterrichts“ kennen, sondern wurden auch derweilen mit kleineren Problemen konfrontiert. Nachdem wir uns zu Beginn der Kursstufe eher unsicher waren, wie ein Unterricht ohne Papier und Stift funktionieren kann, wurden wir im Lauf der Zeit belehrt, welch immense Vorteile die Nutzung von digitalen Medien im Unterricht haben kann.

Zunächst einmal war ein MacBook oder ein iPad im Unterricht in der Hinsicht praktisch, da man am Abend zuvor lediglich das Gerät in die Tasche stecken musste. Man hatte nicht die Sorge, Materialien der letzten Stunden vergessen zu haben. Des weiteren war das Kursbuch ein optimales Arbeitsfeld für Gruppenarbeiten. Während der Vorbereitung auf eine größere Präsentation konnten wir uns verschiedene Unterseiten erstellen und diese mit verschiedenen Notizen, Videos und Bilder ergänzen. Auch außerhalb des Unterrichts konnten wir dann gemeinsam unsere Seiten bearbeiten und Zeitpläne o.ä. erstellen. Digitale Medien sind in Gemeinschaftskunde auch bei Unterrichtseinheiten zu aktuelleren Themen sehr hilfreich. Falls uns ein Begriff unklar war oder wir uns über etwas nochmal genauer informieren wollten, konnten wir unsere Geräte problemlos dafür verwenden.

Die Probleme, welche während der Arbeit mit „Microsoft OneNote“ entstanden sind führen letztendlich auf technische Probleme an unserer Schule zurück. Funktionierte das WLAN in der Schule nur bedingt oder gar nicht, erwies sich die Gestaltung des Unterrichts eher schwieriger. Dieses Problem konnte jedoch insofern umgangen werden, dass wir das Kursbuch bereits am Vorabend synchronisierten, so dass alle Unterrichtsmaterialien am nächsten Tag sofort verfügbar waren. Ein weiteres Problem, welches sich für uns ergab, trat hauptsächlich während der Vorbereitung auf eine Klausur auf. Zwar handelt es sich hier um ein individuelles Befinden, jedoch war für uns die Vorbereitung auf eine Klausur mit fast ausschließlich einem digitalen Medium eher ungewohnt. Seit Beginn der Schulzeit war man daran gewohnt seine Materialien, in Form von Blättern zu haben. Deshalb war es nunmehr eine größere Umstellung die Lernsachen in digitaler Form zu haben.

Rückblickend auf die zurückliegenden eineinhalb Jahre und vorausschauend auf die noch kommenden, wenigen Monate in denen wir mit „Microsoft OneNote“ gearbeitet haben und arbeiten werden, lässt sich sagen, dass die Arbeit mit „Microsoft OneNote“ in dem Unterrichtsfach Gemeinschaftskunde von Vorteil war und ist. Der erstmalige Versuch einen „digitalen Unterricht“ zu gestalten, hat sich unserer Meinung nach als erfolgreich bewährt und wir würden jederzeit gerne wieder ein Teil solchen Unterrichts sein.

(Katinka und Naomi, Kursstufe 2c, Evangelisches Firstwald Gymnasium Mössingen)